Wirtschaftsethnologie und Politische Anthropologie - Staatenbildung und die Ökonomie von Kula und Potlatch

Claude Lévi-Strauss

Claude Lévi-Strauss wurde 1908 in Brüssel geboren und starb am 1. November 2009 in Paris. Er gilt als Begründer des Strukturalismus und lehrte von 1935 bis 1939 Soziologie an der Universität von São Paulo und von 1935 bis 1945 an der New School for Social Research. 1950 erhielt er an der École Pratique des Hautes Études einen Lehrstuhl für Vergleichende Religionswissenschaften der schriftlosen Völker und 1959 am Collège de France den Lehrstuhl für Anthropologie.

ARTE kündigt ein Portrait von Lévi-Strauss so an:

"Donnerstag 20. September 2012 um 05.00 Uhr - 24/11/08

Claude Lévi-Strauss ist zweifelsohne einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts. Er gilt als führender Vertreter der modernen Anthropologie. Vor dem Zweiten Weltkrieg erforschte er die Indianerstämme Amazoniens. Über seine Begegnung mit den sogenannten "primitiven" Gesellschaften berichtet er in seinem Buch "Traurige Tropen", das ihn berühmt machte. ARTE zeigt ein Porträt des französische Kulturtheoretikers, dessen Werk praktisch alle Forschungen von der Philosophie bis zur Literaturwissenschaft nachhaltig geprägt hat."

Auch hier nichts über seine ehemalige Frau Dani

“Als ein Bekenntnisbuch in der Tradition der rousseauschen Confessions läßt sich auch Levi-Strauss' 1955 unter dem programmatischen Titel Tristes Tropiques erschienener autobiographischer Reisebericht verstehen. In ihm beschreibt er die Feldforschungsexpeditionen, die er zwischen 1934 und 1939 zu den im Aussterben begriffenen Indianerstämmen des mittleren Mato-Grosso-Gebietes unternahm. Den um eine peinliche „Elimination des Individuellen" bemühten Objektivismus herkömmlicher ethnographischer Feldberichte absichtlich durchbrechend, nimmt dieses Buch die Gattungsform der „Voyage"-Literatur des 18. Jahrhunderts wieder auf; als die ebensowohl poetischen als auch mutig-subjektiven Reflexionen eines längst zu Ruhm und Ehren gelangten Wissenschaftlers wurde es bei seinem Erscheinen daher vor allem von der literarischen Kritik lebhaft begrüßt."
Zitiert aus: Traurige Tropen, Suhrkamp Verlag, Klappentext

Jahrzehnte nach den dargestellten Erlebnissen niedergeschrieben, sind die Traurigen Tropen mehr als nur die Beschreibung einer Reise durch den Raum: Ihre geographischen Etappen erscheinen gleichzeitig als Stadien eines symbolischen Weges durch die verschiedenen Entwicklungsstufen gesellschaftlicher Organisation; biographisch jedoch erweisen sie sich als Stationen der persönlichen Entwicklung des Autors. Levi-Strauss schildert in diesem Buch seinen eigenen Werdegang als den eines jungen Intellektuellen, der sich, enttäuscht von einer erfahrungsleeren Philosophie und getrieben von einem begriffslosen „Unbehagen in der Kultur", der Untersuchung der sogenannten primitiven Gesellschaften zugewandt hatte. In ihren scheinbar unentfremdeten Lebensformen hoffte er Zutritt zu einer „authentischen" Erfahrung zu finden, die sich ihm jedoch nach Maßgabe der Erwartungen und Projektionen, die er in das Unternehmen einer Flucht aus der europäischen Gesellschaft und in die vermeintlich noch intakte „Ursprünglichkeit" des primitiven Lebens einst gesetzt hatte, verweigerte.

Freimütiger als andere Ethnologen vor ihm hat sich Levi-Strauss zu den exotischen Motivationen seiner Berufswahl bekannt; gerade deshalb aber unterliegt seine Selbstdarstellung dem Zwang nachträglicher Legitima zentrischen Borniertheit der Protagonisten der frühen kolonialen Expansion aber niemals gewesen ist. Der Lektüre zeitgenössischer Quellen und Reiseberichte entnimmt er, daß die Chance der „erschütternden Erfahrung" einer, wenn vielleicht auch nur vermeintlich „reineren und glücklicheren Menschheit", die sich der europäischen Gesellschaft des 16. Jahrhunderts hätte bieten können, bereits in den ersten Stadien der Begegnung verspielt wurde. Getrieben von „Gier oder Habsucht" und unfähig zu jener Form von Reziprozität, wie sie nach dem Urteil von Levi-Strauss das Verhalten der „Eingeborenen" gegenüber den Europäern gekennzeichnet habe, hätten die Eroberer der „Neuen Welt" in den Indios umgekehrt vor allem Objekte der Ausbeutung gesehen.

„In der Vergangenheit hätte ich mich einem gewaltigen Schauspiel gegenüber gesehen, von dem ich nichts oder fast nichts verstanden oder für das ich — was schlimmer gewesen wäre — nichts als Spott und Verachtung übrig gehabt hätte; in der Gegenwart aber jage ich den Spuren einer Wirklichkeit nach, die längst versunken ist. So bin ich in beiden Fällen der verlierende Teil.

Levi-Strauss' Urteil zufolge hat in der französischen Gesellschaft der Gegenwart ein archaisches Initiationsritual, das früher bei einigen Indianerstämmen der nordamerikanischen Prärien kollektiv verbindlich war', eine merkwürdige Reaktualisierung erfahren. Ein Initiationsritual nämlich, das das Prestige des einzelnen innerhalb seiner Gruppe von dem Bestehen einer Bewährungsprobe in der der „profanen" häuslichen Sphäre entgegengesetzten und — weil der Kontrolle der eigenen Gruppe nicht unterworfen — als mit gefährlichen magischen Eigenschaften behaftet gedachten „sakralen" Sphäre abhängig machte.

Die Frage, ob auch sein eigenes Unternehmen im Grunde keinem anderen Ziel gedient habe, als ihm — ähnlich wie dem indianischen Initianden — innerhalb der eigenen gesellschaftlichen Hierarchie eine privilegierte Position zu verschaffen, bestimmt leitmotivisch fast alle autobiographischen Reflexionen des „Bekenntnisbuches".