Wirtschaftsethnologie und Politische Anthropologie - Staatenbildung und die Ökonomie von Kula und Potlatch

Nicht entgeltliche Leistung und Geschenk

Grundproblem: Unsere Kultur unterscheidet zwischen der Verpflichtung und der nicht entgeltlichen Leistung, sowie dem Geschenk. Sind diese Unterscheidungen in den Rechtssystemen der großen Kulturen nicht relativ jung?

1. Hinduismus

Bereits im Hinduismus gibt es die Gabe, die dem Geber ein Äquivalent, sowohl im Diesseits, wie auch im Jenseits bringt. Dasselbe gilt für die Wiedergeburt.

2. Pfand und Gabe (Germanisches Recht)

Die germanische Kultur kannte lange Zeit keine Märkte, so daß Wörter wie, Preis, Kauf und Verkauf neueren Datums sein müssen. Dagegen war das System des Potlatch im Bereich der Gabe hoch entwickelt.

"Die Clans innerhalb der Stämme, die Großfamilien innerhalb eines Clans, die Stämme unter sich, Häuptlinge und selbst Könige waren moralisch und wirtschaftlich nicht auf den geschlossenen Kreis ihrer eigenen Gruppe beschränkt, ... sie verbündeten sich mittels Pfändern, Geiseln Festessen und großen Geschenken."

Potlatch bedeutet demnach, daß die soziale Grenze überschreitend, durch Geschenke und die Einhaltung des damit Verbundenen Wiederschenkens, Partner außerhalb der eigenen Sozialstruktur gefunden werden. Der Potlatch ist demnach auch ein Mittel mittels Kontakten, durch Geschenke Beziehungen zu höheren herzustellen. In egalitären Gesellschaften war die Dies nicht notwendig, da es keine Hierarchie gab.

3. Pfand

Im germanischen Recht fordert jeder Vertrag ein Pfand, es ist mit dem Pfandgeber verbunden, der es zurückhaben möchte, denn es verpfändet die Ehre und die Autorität. Er bleibt solange in einer unterlegenen Stellung, bis er den Vertrag erfüllt hat.

4. Schlussfolgerungen

  • Milde Gaben verletzen den, der sie empfängt, deshalb sind wir darauf aus eine Gabe zu erwidern, um nicht minderwertig zu erscheinen. Gönnerhaftigkeit sollte auch heut bei Almosen vermieden werden.
  • Bei Einladungen ist es Dasselbe. Wir möchten nicht im 'Rückstand' bleiben, wir möchten zurückgeben, was wir erhalten haben.
  • Unter diesen Umständen, ist die Sozialversicherung ein Teil der Rückgabe dessen, was man zum Wertzuwachs anderer beigetragen hat. Die Gemeinschaft schuldet dem Einzelnen eine gewisse Sicherung seines Lebens gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter.
  • Für Mauss ist dieses Prinzip eine Rückkehr zum Recht. Oder wie er es für seine Zeit ausdrückt: "Wir kehren zur Gruppenmoral zurück."
  • Das system der totalen Leistung - Potlatch ohne seine vernichtenden Elemente - bildet das älteste Wirtschafts- und Rechtssystem, das die Menschheit kennt.

5. Nationalökonomische Schlußfolgerung

  • De Wertbegriff existiert in allen Gesellschaften
  • Überschüsse werden angehäuft und mit Verlust ausgegeben
  • Es werden Zeichen des Reichtums, eine Art Geld z.B vaygu'a ausgetauscht
  • Das Geld hat noch magischen Wert und ist mit dem Clan oder dem Individuum verbunden
  • Der Markt ist von Riten und Mythen durchdrungen

6. Korrektur an Malinowski

Malinowski unterscheidet die reine Gabe vom Feilschhandel, so ist nach Malinowski der Typus der reinen Gabe der zwischen Eheleuten. Gleichzeitig weißt er aber auf das mapula hin, die ständige Zahlung des Ehemanns an seine Frau für sexuelle Dienste. Desgleichen ist das sagali als Entschädigung für Arbeiten gedacht. Im Grunde sind also selbst diese Gaben Gegenleistungen, die gegeben werden, um ein nutzbringendes Bündnis aufrecht zu erhalten, das aber nicht abgelehnt werden kann. Dies ist die Kraft, die die Clans zusammenschweißt.  Es besteht wohl die Möglichkeit einen Vertrag abzulehnen, es besteht aber kein Interesse daran.

Das magische Kula-Ritual mwasila enthält Symbole, die zeigen, daß es dem Geber um einen Profit in Form sozialer Überlegenheit geht. Danach verteilt er seine Güter. Sein Status aber bleibt. Die totale Leistung hält die Gesellschaft und ihre Institutionen zusammen.

Kritik: Mauss spricht bei den oben angeführten Gesellschaften von segmentierten Gesellschaften, gleichzeitig von Häuptlingstümern. Dies geht nicht zusammen, denn in Häuptlingstümern gibt es Hierarchien - zu was wäre sonst der Potlatch nützlich? - segmentierte Gesellschaften zeichnen sich durch Egalität aus. Es handelt sich bei den von Mauss beschriebenen Gesellschaften zumindest um primitive Gesellschaften. Allein bei den Trobriandern spricht die Tatsache, daß sie weite Seereisen unternehmen, um sich mit anderen Clans zu verbinden, gegen segmentierten Gesellschaften, die sich per Definition  durch geographische Nähe auszeichnen.