Wirtschaftsethnologie und Politische Anthropologie - Staatenbildung und die Ökonomie von Kula und Potlatch

Three leaders of the Chilkat, a Tlingit group, wear ceremonial dress for a potlatch. They hold ceremonial rattles, and two wear Chilkat blankets, which were woven of cedar bark and decorated with clan crests.

Potlatch und Kula

Grundfrage und Problem: Was ist der Grundsatz des Rechts und Interesses, dass in archaischen Gesellschaften das empfangene Geschenk zwangsläufig erwidert wird? Welche Kraft liegt in der Sache, die bewirkt, dass der Empfänger sie erwidert? (Marcel Mauss)

1. Einführung

Der Austausch in archaischen Gesellschaften ist eine gesamt-gesellschaftliche Tätigkeit, und ist zugleich ein ökonomisches, juristische, moralisches und mythologisches Phänomen.

U.a. versucht Mauss auch die Institutionen der Trobriander anders zu interpretieren, wie Malinowski dies getan hat. Er versucht die grundsätzliche Bedeutung des Potlatch und des Kula zu erklären, dabei versucht er archaische Institutionen den unseren gegenüberzustellen.

Für ihn ist der Austausch von Gütern eine moralische Transaktion, die menschliche Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen herstellt, und kein ökonomisches System, wie wir es kennen.

Vielfach finden Austausch und Verträge statt, die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch gegeben und erwidert werden müssen. In seinem Essay taucht vor allem der Handel auf, der sich in archaischen Gesellschaften anders gestaltet wie in modernen entwickelten Gesellschaften. Es werden Moral und ™konomie untersucht, die bei solchen Geschäften wirksam werden.

Primitiven Gesellschaften wird z.T. unterstellt, daß sie sich auf der Stufe des Naturzustandes befinden (Rousseau), daß dem nicht so ist, was Recht und Wirtschaft anbelangt, ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt von Mauss.

Festzuhalten gilt, daß es in archaischen Gesellschaften keinen Austausch zwischen Individuen, sondern zwischen Kollektiven gibt. Die am Vertrag Beteiligten sind moralische Personen: Clans, Stämme, Familien, die sich gegenübertreten. Teilweise erfolgt dieser Austausch erst durch die Vermittlung von Häuptlingen (womit sie aber bereits nicht mehr den archaischen bzw. segmentierten Gesellschaften zugerechnet werden können A.d.V.)

Ausgetauscht werden nicht nur Güter, sondern auch Riten, Frauen, wobei der Handel nur ein Moment und der Reichtum nur eine Seite eines Vertrages sind. Dies alles zusammen, wird von Mauss unter totaler Leistung verstanden, den Begriff selbst untersucht er allerdings nicht.

Der Potlatch

ist eine Form, wenn auch seltene, der totalen Leistungen.

Der Potlatch ist eine totale Leistung, da es eine Leistung von Clan zu Clan und von Familie zu Familie ist. Allerdings haben die beschriebenen Gesellschaften das System der totalen Leistung hinter sich gelassen, wenn sie auch nicht den Individualvertrag, den Geldmarkt und den eigentlichen Verkauf kennen. Auch kennen sie nicht den Begriff des festen Preises und des gemünzten, also gewogenen Geldes.

Totale Leistung auch deshalb, weil sämtliche Angehörigen des Clans durch die Vermittlung des Häuptlings in diesen Vertrag eingebunden sind.

Der Potlatch ist vorallem ein Kampf der Adligen um die Position innerhalb der Hierarchie zu bestimmen, von der dann der Clan profitiert. Anzutreffen ist er in Nordamerika, Melanesien und Papua

Die Gaben und die Verpflichtung sie zu erwidern

Neueste Forschungen (für Mauss) haben ergeben, dass es auch in Polynesien die Form der totalen Leistung gibt, allerdings ohne die Motive des Kampfes, der Rivalität und der Zerstörung.

Die verschenkten Güter verleihen dem Beschenkten Macht über den Schenker, doch nach Vorstellungen, wie sie im Maori-Recht oder auf Samoa gelten, dass diese Geschenke, nachdem sie dem Beschenkten zu Macht und Ansehen verholfen haben, müssen diese wieder zurückgegeben werden . Durch die Sache ist eine Seelenbindung entstanden, denn die Sache selbst hat eine Seele. Draus folgt: Wenn man jemandem etwas gibt, gibt man etwas von sich selbst. Dass diese Güter zurückgegeben werden müssen, liegt auch daran, dass sie auch geistig von einer anderen Person kommen und deshalb gefährlich für den Empfänger werden, da sie religiöse und magische Macht über den Empfänger haben.

Neben der Verpflichtung die Geschenke zu erwidern, gibt es noch die Verpflichtungen Geschenke zu machen und Geschenke anzunehmen.

Die Pflicht des Gebens

Klarheit, wie es zu dieser Pflicht gekommen ist, könnte erklären, wie Menschen zu Austauschenden geworden sind. Einige Fakten steuert Mauss zur Erhellung bei.

Etwas nicht zu geben, kommt einer Kriegserklärung gleich.  Man gibt weil man muss, aber auch, weil der andere ein Eigentumsrecht auf alles was dem Geber gehört, hat. So entsteht ein geistiges Band, zwischen Dingen, die eine Seele haben. Daraus ergibt sich ein soziales System, dass alles - Nahrungsmittel, Frauen, Grund und Boden - Gegenstand der Übergabe und der Rückgabe ist.

Gaben an die Götter

Die Zerstörung von Nahrungsmitteln hat ihren Ursprung darin, dass die ersten Verträge, die die Menschen schlossen, mit den Geistern vereinbart wurden. Sie sind die wahren Eigentümer aller Dinge. Die Zerstörung ist somit eine Opfergabe, die vergolten wird.

Es gibt auch Kulturen, die von den Geistern das Recht kaufen, eigentlich ihr Eigentum, bestimmte Dinge zu tun.

Die Stämme an der Küste Nordamerikas

Tlingit, Haida, Kwakiutl und Tsimshian

scheinen auf den ersten Blick ein Tauschsystem nicht zu kennen. Reichtums-Übertragung scheint es nur in Form des Potlatch zu geben.

Sie haben eine hochstehende Kultur und benützen Kupferplatten auch als Geld. Die Kultur ist relativ einheitlich. Geschenkaustausch findet während des Potlatch unter dem Prinzip des Give and Take statt. Der Potlatch selbst ist der Geschenkaustausch, allerdings ohne Kämpfe. Die Triebfeder ist nicht der Reichtum, sondern die Ehre. Durch Vernichtung von Gegenständen steigt man in der Hierarchie auf.

Fazit - Potlatch

Die Hauptelemente des Potlatch, Pflicht des Gebens und Nehmens und der Gegengabe, sind in Polynesien vorhanden, nicht jedoch die Institution als Ganzes.

Die Annahme, dass es in Polynesien keinen Potlatch gibt, ist wohl begründet, denn Potlatch gibt es nur in nicht-hierarchisierten Gesellschaften. Der Potlatch zielt gerade auf die rivalisierenden Häuptlinge ab, die ihre Position durch den Potlatch stärken wollen. Die Polynesischen Clans, die sich teilweise sogar um eine Monarchie zentrieren, sind hierarchisch, weshalb es nur, wie z.B. bei den Maori, in Häuptlingstümern, oder solche die sich wieder zu diesen zurückentwickelt haben, den Potlatch gibt. Die Zurückentwicklung zu Häuplingstümern, aus einer Gesellschaft, die eine Aristokratie besitzt, entsteht zumeist dann, wenn sich die Herrschaft auf Gewalt begründet nicht auf lange Zeit halten kann, und es sodann wieder zu einer Theokratie kommt.

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