Der Staatsbegriff

Wirtschaftsethnologie und Politische Anthropologie - Staatenbildung und die Ökonomie von Kula und Potlatch

Lexikalische Definition des Staates

Der Begriff Staat kommt aus dem Italienischen (lo stato) und findet mit den Schriften Machiavellis (15. Jh.) in Europa Verbreitung (franz.: état; engl.: state). Er nimmt vielfältige Bedeutungen an, die von absoluter Überhöhung (der Staat als diejenige Institution, in der der objektive Geist die sittliche Idee verwirklicht; Hegel) und Idealisierung (der Staat als weltliches Reich) bis zur nüchternen Beschreibung (der Staat als organisierter Herrschaftsverband) reichen können. Die Versuche, den Staat durch eine Auflistung von Staat-Zwecken verbindlich zu definieren, sind gescheitert, da der Staat bisher zu allen (positiven und negativen) Zwecken und Zielen gebraucht (und missbraucht) werden konnte. Um den Begriff Staat fassen zu können, muss daher zwischen dem, was er sein soll (Zweck, Ziel, Wunsch), und dem, was er tatsächlich ist (aktueller Zustand, Realität), unterschieden werden. 

Zu unterscheiden ist eine weitere und eine engere Staat-Definition: Erstere definiert Staat als territorial begrenzten politischen Herrschaftsverband, der »das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht« und insofern ein »auf Legitimität gestütztes Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen« ist (M. Weber). Letztere versteht Staat als politische Einrichtung (Institutionen und Personen), die mit der Ausübung allgemein verbindlicher Steuerungs-, Regulierungs- und Koordinierungsfunktionen betraut ist, sich (als moderner Verfassungs-Staat) dabei demokratischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse bedient und zur Durchsetzung dieser Entscheidungen mit Sanktionsmitteln ausgestattet ist.

Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung

Machiavelli, Il Principe

Bereits Anfang des 16. Jhr. hat Machiavelli den Weg beschrieben, den ein Herrscher gehen muss um einen starken Staat - wie das Römische Reich, auf dessen Größe er sich immer wieder berief - zu schaffen, Auch beschrieb er die Tugenden über die ein Herrscher verfügen muss, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Weg zum Staat führte für Machiavelli über den Erwerb von Macht, die Machterhaltung und die Machterweiterung.

Niccolò Machiavelli wurde am 3. Mai 1469 als Sohn von Bernardo Machiavelli und Bartolomea de’ Nelli in Florenz geboren.
Sein Vater, der als Notar und Rechtsgelehrter tätig war, ließ ihm eine humanistische Ausbildung zukommen. Er wuchs in dem toskanischen Stadtstaat unter der Medici-Herrschaft von Lorenzo Il Magnifico auf.

Ideengeschichte und Menschenbild

Es soll hier nicht darum gehen, Staatstheorien, wie sie in der Philosophie entwickelt wurden, und sich im Wesentlichen auf Platon und Aristoteles berufen oder neuzeitliche Staatstheorien, wie die Machiavellis, Hobbes, Rousseau oder John Lockes zu interpretieren. Diese Staats- oder Herrschaftsformen wurden entwickelt um ideale Staatsformen für Mensch und Gesellschaft zu finden.  Sie wurden erdacht und nicht beobachtet.

1. Der traditionelle Staat

Wenn behauptet wird, dass der Staat ein Kennzeichen jedes gesellschaftlichen Lebens sei, sich aus dem Wesen des Menschen ergibt, so wird der Staat überhöht und seines historischen Charakters beraubt.

Damit ist die Auffassung Aristoteles verwandt, der den Staat mit der umfassensten Gemeinschaft, der Gesamtgesellschaft gleichsetzt.

Hier wie bei anderen Versuchen den "Staat" zu definieren, kommt immer wieder die Schwierigkeit zum Ausdruck, das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft zu beschreiben.

Bei Marx ist der Staat ein Produkt der Gesellschaft, der zum Werkzeug der herrschenden Klasse wird. Somit ist der Staat die erste ideologische Herrschaft über den Menschen.

Max Weber bringt den Begriff der Rationalisierung, oder Bürokratie ein: "Der Staat ist ein Herrschaftsinstrument, ein Verband, der das Monopol der legitimen Anwendung physischen Zwangs besitzt und über einen Apparat verfügt, der - wie militärische Kräfte - für diesen Zweck errichtet wurde; er gibt  - wie jeder Herrschaftsverband - einer Minderheit die Möglichkeit, über die allgemeine Richtung des gesellschaftlichen Handelns zu entscheiden. Der Staat darf in diesem Sinn in alle Bereiche eingreifen, und er tut es durch eine rationale' Verwaltung."

Weiter hat Weber gezeigt, dass es eine Verwandtschaft zwischen der Entwicklung der Staatsstrukturen und der kirchlichen Strukturen gibt, die eine echte Priesterherrschaft darstellen. D.h.: Die Steuerung der Gesellschaft geschieht über die Zusammenarbeit von Staat und Kirche. (Hier taucht wieder das Problem des Häuplingstums auf, den er, der Häuptling ist, wenn man so will, in Personalunion Staat und Kirche. Was unterscheidet denn nun das Häuplingstum vom Staat?

2. Bedingungen für den traditionellen Staat

Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen sind:

  1. Der territoriale  Rahmen
  2. Die Scheidung in Regierende und Regierte
  3. Die legitime Anwendung von Zwang.
  4. Ein weiteres Merkmal ist, wenn die Verwandtschaftsgruppen alleine die dauerhafte Macht gewinnen.
  5. Als weiteres Kriterium wird angeführt, dass zur Erhaltung des Systems als Ganzem der Staat die Aufrechterhaltung der Unterordnungs- und Ausbeutungsverhältnisse gewährleisten muss. Somit wäre der Staat die politisch herrschende Klasse.
  6. Eine weitere Besonderheit des traditionellen Staates ist die Feststellung, dass Staat und Kirche nur zwei Aspekte des politischen Mechanismus sind.

Der territoriale Rahmen

Die Begründung des Staates setzt voraus, sich eine Einheit vorzustellen, die über die Grenzen der unmittelbaren Verwandtschaft und der räumlichen Nähe hinausgeht.(18

Der territoriale Faktor bekommt ein Übergewicht durch seine Größe, die bedingt, dass sich in gleichem Maß die verwandtschaftlichen Bindungen lösen. An Stelle der Verwandtschaft trete sodann das Eigentum. Bei den Ayullu des Inka-Reiches wurde diese Tendenz nachgewiesen. Folgende Rückschlüsse lassen sich ziehen:

  1. Das Zurücktreten der Verwandtschaft hängt von der Bevölkerungszahl ab.
  2. Der geographische Raum wird zu politischen Zwecken aufgeteilt.
  3. Die Eigentumsbeziehung tritt in Erscheinung und konkurriert teilweise mit den bestehenden personalen Beziehungen.

3. Staatsformen

Man kann von drei Staatsformen sprechen:

  1. Der segmentäre Staat ist gekennzeichnet durch eine pyramidale Machtstruktur, indem sich auf den verschiedenen Stufen analoge Machtstrukturen wiederholen. Die grundlegenden Einheiten verfügen über eine relative Autonomie und über einen Verwaltungsapparat. Ihre Beziehungen untereinander ähneln denen einer Clan-Gesellschaft. Das Gesamtsystem beruht eher auf der rituellen Ebene, als auf der politischen. (Föderation?)
  2. Der unitarische Staatstyp kann als hierarchisch bezeichnet werden. Das bedeutet, dass sich die Macht auf den verschiedenen Stufen deutlich voneinander unterscheidet. An der Spitze wird unbeschränkte Macht ausgeübt. (Dies entspricht wiederum dem Häuptlingstum)
  3. Der traditionelle Staat kann nicht durch soziologische Modelle definiert werden, die ihn grundsätzlich vom modernen Staat unterscheidet. Er zeigt,  die allen Staaten gemeinsamen Merkmale auf. Diese sind:

Ein administratives Handeln setzt einen Regierungsapparat  voraus, der die Sicherheit und die Grenzen garantiert.

Er bezieht sich auf ein Territorium und gewährleistet die Durchführung der wichtigsten Entscheidungen für sein Land.

Eine Minderheit besitzt das Monopol der politischen Entscheidung, vertritt aber alle gesellschaftlichen Interessen.

Die traditionelle Staatsorganisation ist ein dynamisches System, welches Strategien erfordert, damit sich die systembeherrschende Gruppe behaupten kann.

Es gelingt dem traditionelle Staat aber nicht, wie dem modernen, zentralistischen Staat, die Oberhoheit des politischen Zentrums durch zusetzten; er bleibt von territorialer Segmentierung bedroht. Denn:

  1. Der Herrscher besitzt seine Macht aufgrund persönlicher, und nicht äußerlicher, formaler, Eigenschaften, und leitet seine Autorität von den Göttern, oder seinen königlichen Vorfahren her.
  2. Macht und Autorität sind personalisiert.
  3. Die spezifische Macht leitet sich aus den Verwandtschaftsbeziehungen ab.
  4. Beim traditionellen Staat wird die Bezogenheit auf das Sakrale deutlich, worauf seine Legitimität beruht.
  5. Die theoretische Vernunft des Staates drückt sich in der herrschenden Religion aus.

4. Hypothesen über den Ursprung des Staates

Die Entstehungsgeschichte des Staates wird ihn Zusammenhang gebracht, mit der Unterjochung einer eingesessenen Gruppe durch fremde Eroberungstruppen, oder dem freiwilligen Zusammenschluss von Stämmen. Die Hypothese lautet, dass Eroberungsstaaten häufiger als Konföderationen zu finden seien.

Der Staat kann auch entstehen, wie bei den Cheyenne, durch die erhöhte Bedeutung von Kriegsverbänden, oder durch das Auftreten vom Fremden, wie auf Fidschi.

Die Hypothese vom Fried lautet:

  1. Primäre Staaten sind ohne äußeren Einfluss entstanden. Sie konnten auf Grund innerer oder regionaler Entwicklungen entstehen.
  2. Sekundäre Staaten, sind als Reaktion auf einen bereits benachbarten Staat entstanden.

Der Kolonialismus bedingte Staatsgründungen. Mit ihm ging immer das gleiche Prinzip einher: Die Schwächung der Macht und Autorität, mit der die politischen Funktionsträger ausgerüstet waren.

Alle Theorien stoßen auf die Gleiche Schwierigkeit: In den vorstaatlichen Gesellschaften werden keine hinreichenden Bedingungen für die Entstehung des Staates gefunden, deshalb wird eine äußere Ursache gesucht.

Der Marxismus hat entwickelt, dass der Staat unmittelbar aus Eroberungen fremder Gebiete hervorgeht, die sich nicht im Sippenverband beherrschen lassen. Der Staat lässt sich definieren, als eine aus der Gesellschaft hervorgegangene Macht, die sich jedoch über diese erheben will und sich immer mehr von ihr löst.

Dass Problem von Engels ist: Dass er sämtliche Bewegungen der abendländischen Kultur als typisch für die Entwicklung der Gesellschaft und Zivilisation erkennt.

Wie sich der Staat erklären lässt, ist nicht bekannt. Es scheint eine Suche nach dem "missing link" zu sein.